Die selbständige Beschäftigung in der DG

Laut den Statistiken des Landesinstituts der Sozialversicherungen für Selbständige (LISVS, auf frz. INAST) zählte die Deutschsprachige Gemeinschaft Ende 2022 rund 6.700 Selbständige. Hier mehr Informationen zu diesen Zahl...

Bestandsaufnahme

Die Deutschsprachige Gemeinschaft zählt Ende 2022 rund 6.700 Selbständige (Quelle: INASTI), wovon rund 4.000 Personen als haupterwerbstätig Selbständige zählen, 1.500 nebenberuflich selbständig sind und 1.200 Personen noch nach der Pensionierung (bzw. dem Erreichen des Pensionsalters) eine selbständige Tätigkeit ausüben. Belgienweit gibt es rund 1,24 Millionen Selbständige, wovon 63% in Flandern wohnen, 27% in der Wallonie und 10% in Brüssel.

Betrachtet man die Entwicklung dieser Zahlen im Laufe der Zeit, so stellt man fest, dass die Zahl der Selbständigen in allen Regionen kontinuierlich ansteigt, mit Ausnahme der Deutschsprachigen Gemeinschaft. Seit 2003 ist die Zahl der Selbständigen in Belgien insgesamt um +46% gestiegen. In der Deutschsprachigen Gemeinschaft hingegen liegt die Zahl der Selbständigen 2022 nach einem zwischenzeitlichen Rückgang wieder auf dem gleichen Niveau wie 2003.
Auch wenn diese Entwicklung sich nicht negativ auf die hohe Beschäftigungsrate in der DG ausgewirkt hat, ist es doch interessant, sich mit den Hintergründen dieser unterschiedlichen Entwicklungen auseinanderzusetzen.

Nord-Süd-Entwicklung

Beim näheren Hinschauen stellt man gegensätzliche Entwicklungen innerhalb der DG fest. So ist Im Kanton St.Vith ein Rückgang um -14% zu verzeichnen, im Kanton Eupen hingegen eine Zunahme um +17%. Seit dem Jahr 2021 gibt es zum ersten Mal überhaupt mehr Selbständige im Norden der DG als im Süden. Der Anstieg im Kanton Eupen fällt allerdings immer noch deutlich geringer aus als in der Wallonie (+37%), Flandern (+46%), Brüssel (+75%) oder in Belgien insgesamt (+46%).

Entwicklung nach Sektoren

Verglichen mit den anderen Regionen sind in der Deutschsprachigen Gemeinschaft noch immer viele Selbständige in der Landwirtschaft tätig (17% aller Selbständigen, im Vergleich zu 8% im Landesdurchschnitt). Seit 2003 hat sich allerdings auch die Zusammensetzung in der DG deutlich verschoben: Die Zahl der Landwirte ist weiter stark zurückgegangen, während die Zahl der Freiberufler sich fast verdoppelt hat und an die Spitze der selbständigen Berufe gerückt ist.

Erstaunlicherweise ist die Zahl der Selbständigen in der Landwirtschaft auf Landesebene in diesem Zeitraum wieder angestiegen, und zwar um +9% seit 2003. Dieser Anstieg ist im Wesentlichen auf die steigende Anzahl Selbständiger im Bereich des Gemüseanbaus und des Gartenbaus zurückzuführen. Dieser Anstieg hat zwar auch in der DG stattgefunden, aber die genannten Bereiche stellen hierzulande nur kleine Teilbereiche der Landwirtschaft dar. 75% des Sektors sind hier nach wie vor klassische Landwirte, während diese im Landesschnitt nur noch 43% des Sektors bilden.

In Industrie und Handwerk ist die Zahl der Selbständigen im Süden der DG um -20% zurückgegangen, aber im Norden um +13% gestiegen. Insgesamt ergibt sich daraus ein Rückgang in der DG um -6%. Der Rückgang ist insbesondere in den Bauberufen (die den größten Anteil am Sektor haben), im Transport- und im Lebensmittelsektor festzustellen. Gestiegen ist hingegen die Zahl der Selbständigen in der Metallverarbeitung. In der Holzverarbeitung ist die Zahl stabil geblieben.

Auf Landesebene, und insbesondere in Brüssel, ist in diesem Sektor ein starkes Wachstum festzustellen. Dieses ist zum großen Teil auf das Baugewerbe zurückzuführen, wo sich seit 2004 sehr viele Bürger aus den neuen EU-Ländern selbständig gemacht haben (hauptsächlich aus Rumänien). Dieses Phänomen ist in der DG hingegen nicht zu beobachten. Die Zahl der Selbständigen mit nicht-belgischer Nationalität ist hier nur geringfügig angestiegen und die Zahl der Selbständigen im Baugewerbe sogar zurückgegangen.

Auch der Einzelhandel hat überall einen kontinuierlichen Rückgang gekannt (-38%). Im Horeca-Sektor hingegen ist die Zahl der Selbständigen in der DG wieder fast identisch mit der Zahl in 2003 (nach einem Rückgang bis 2011 und einem anschließenden erneuten Zuwachs), während auf Landesebene das Hotel- und Gaststättengewerbe deutlich zugelegt hat (+28%).

Die rasanteste Entwicklung in allen Landesteilen haben die freien Berufe gekannt. Hier liegt seit 2003 ein Anstieg um +137% vor, und in der DG um +95%. Dabei ist das Wachstum weniger auf die klassischen Freiberufler (Ärzte, Anwälte, Architekten, Ingenieure, Steuerberater…) zurückzuführen, als vielmehr auf „sonstige intellektuelle Berufe“ (Berater, Informatiker, Dienstleister, …), paramedizinische Berufe (Krankenpfleger, Therapeuten, Psychologen, …), Privatlehrer, Künstler und - auf Landesebene - im Bereich der geisteswissenschaftlichen Berufe (Journalisten, Übersetzer, Medienberufe, …).

Entwicklung nach Art der Tätigkeit

Für 60% der Selbständigen in der DG ist diese Tätigkeit die Haupterwerbsquelle. Rund 22% sind nebenerwerblich selbständig und weitere 18% üben eine selbständige Tätigkeit nach der Pensionierung aus. In der DG ist der Anteil letzterer deutlich höher als in den anderen Landesteilen und die Haupterwerbstätigkeit etwas seltener (60% im Vergleich zu 63%).

Zwischen 2003 und 2022 die Zahl der Selbständigkeit im Haupterwerb in der DG rückläufig gewesen (-16% bzw. minus 750 Personen), im Gegensatz zum belgischen Durchschnitt (+23%). In den anderen beiden Gruppen ist die Zahl der Selbständigen in der DG zwar gestiegen, aber lange nicht so stark wie in den anderen Landesteilen. Das zeigt allerdings auch, dass ein Großteil des stärkeren Wachstums in den anderen Landesteilen auf Nebenerwerbstätige und Aktive nach Pension zurückzuführen ist.

Die wirtschaftlich relevanteste Gruppe der Haupterwerbstätigen unter 65 Jahren ist in der DG zwischen 2003 und 2022 um -16% gesunken. Besonders stark ist der Rückgang in der Landwirtschaft und in Handel/Horeca.

Entwicklung nach Geschlecht

Der Anteil der Frauen an den Selbständigen betrug im Jahr 2003 rund 33%, sowohl in der DG wie im Landesdurchschnitt. Knapp 20 Jahre später ist der Anteil nur wenig gestiegen, auf rund 35%.
Während die Zahl der selbständigen Frauen seit 2003 belgienweit um +52% gestiegen ist, ist sie in der DG nur um +7% gestiegen. Bei den Männern liegt in Ostbelgien eine rückläufige Tendenz vor (-4%), während landesweit ein Anstieg um +42% festzustellen ist.

Auffällig ist auch, dass der Anstieg bei den Frauen zum überwiegenden Teil eine Nebenerwerbstätigkeit betrifft. Hier hat sich die Zahl der Frauen mehr als verdoppelt, während bei den Männern, die im Nebenerwerb selbständig sind, ein Rückgang um -14% vorliegt.

Entwicklung nach Alter

Es machen weniger jüngere Personen den Schritt in die Selbständigkeit, so dass die Selbständigen in der DG im Schnitt mittlerweile deutlich älter sind als in den anderen Landesteilen: 43% aller Selbständigen in der DG sind älter als 55 Jahre, während es in der Wallonie nur 32% bzw. in Belgien insgesamt nur 30% sind. Lediglich in den Altersgruppen über 65 Jahren gibt es in der DG noch proportional mehr Selbständige als im Landesdurchschnitt.
Bei den unter 35jährigen ist die Zahl der Selbständigen 2022 quasi gleich hoch wie fast 20 Jahre zuvor, während sie in Flandern und Wallonien um rund +50% bzw. +40% gestiegen ist. Gleichzeitig ist die Bevölkerung in der DG in dieser Altersgruppe um +11% angewachsen.

Die Zahl der Selbständigen in der Altersgruppe 35-45 Jahre ist in der DG um -37% gesunken (was einem Rückgang um knapp 760 Personen entspricht), während sie in Flandern und Wallonien um rund +10% gestiegen ist. Der Einbruch in dieser Altersklasse ist nicht zuletzt der demografischen Entwicklung in der DG geschuldet (und lässt sich auch bei den Arbeitnehmern beobachten): Die Bevölkerungszahl in dieser Altersgruppe ist ebenfalls um -24% geschrumpft.

Der Schritt in die Selbständigkeit

In der DG starteten über den gesamten Zeitraum rund 200 bis 250 Personen pro Jahr eine haupterwerbliche Selbständigentätigkeit (wobei dies auch ein Wechsel aus einem Nebenerwerb sein kann). Die Zahl der gestarteten Nebentätigkeiten steigt hingegen recht kontinuierlich an. Vergleicht man z.B. mit der Wallonie, so sieht man, dass dort auch die gegründeten Haupttätigkeiten (zumindest bis 2019) stetig ansteigen. Und waren 2003 noch 47% der Starter in der DG in der Eifel wohnhaft, sind es 2022 nur noch 37%.

Fazit

Die Erklärungsansätze für die unterschiedlichen Entwicklungen sind wohl auf verschiedenen Ebenen zu suchen, darunter die rückläufige Entwicklung der klassischen Landwirtschaft, die die traditionell überdurchschnittlich hohe Selbständigenquote im Süden der DG nach unten zieht, die besonders starken Zuwächse einzelner Bereiche im Inland aufgrund eines spezifischen Kontextes oder anderer Wirtschaftsstrukturen, der hohe Anteil an Migranten mit selbständiger Tätigkeit insbesondere in Brüssel, und auf der anderen Seite die besonders ausgeprägte demografische Entwicklung in der DG (darunter der starke Bevölkerungsrückgang bei den 35-45-Jährigen) oder auch die Anziehungskraft des luxemburgischen Arbeitsmarktes.

Eine positive Entwicklung der Selbständigenzahlen muss allerdings auch kein Ziel per se sein. Der Schritt in die Selbständigkeit kann auch aus der Not heraus geschehen, etwa in Ermangelung von Perspektiven auf dem Arbeitsmarkt. Der ausgeprägte Zuwachs an selbständigen Nebenerwerbstätigen im Inland kann etwa auch darauf hindeuten, dass dort mehr Arbeitnehmer eine zusätzliche Einkommensquelle erschließen möchten.

Insgesamt ist aber auch festzuhalten, dass der Anteil der haupterwerblich Selbständigen an der Gesamtbeschäfigtenzahl in der DG seit 2003 nur leicht gesunken ist (von 21% auf 18%) und damit im Jahr 2022 immer noch gleich hoch ist wie in Flandern oder der Wallonie.

Eine ausführlichere Darstellung der Entwicklungen bei den Selbständigen ist in den Downloads zu finden.

Downloads

Q3-2023 Pressetext Selbständige

Ausführlichere Darstellung der Entwicklungen bei den Selbständigen