Personen mit Migrationshintergrund auf dem (ost)belgischen Arbeitsmarkt

Die Beteiligung der Personen ausländischer Herkunft am Arbeitsmarktgeschehen ist ein wichtiger Indikator, um den Integrationserfolg dieser Personengruppe zu beurteilen.

Die Beteiligung der Personen ausländischer Herkunft am Arbeitsmarktgeschehen ist ein wichtiger Indikator, um den Integrationserfolg dieser Personengruppe zu beurteilen. Klassischerweise betrachtet man hierbei Daten nach Nationalität. Diese ist aber nicht unbedingt ausschlaggebend für eventuelle Unterschiede oder Diskriminierungen am Arbeitsmarkt. Integrationsschwierigkeiten von Personen ausländischer Herkunft können auch aus einem anderen kulturellen und/oder sprachlichen Hintergrund oder einer im Ausland erworbenen Ausbildung resultieren, die sich aber nicht aus dem Kriterium der Nationalität ableiten lassen. Durch Einbürgerung haben in den vergangenen Jahren viele Menschen die belgische Staatsbürgerschaft erhalten, was aber natürlich noch keine Gewähr dafür ist, dass diese Personen die gleichen Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben wie die „Hiesigen“.

Nun liegen seit einigen Jahren die Bevölkerungszahlen nicht mehr nur nach Nationalität vor, sondern können auch nach Herkunft, sprich der Nationalität bei der Geburt bzw. sogar der ersten Nationalität der Eltern, sowie nach Geburtsland aufgeschlüsselt werden. Somit kann heute wesentlich differenzierter analysiert werden, welcher Anteil der Bevölkerung einen Migrationshintergrund aufweist.

Bevölkerung nach Nationalität und Herkunft

Laut dem belgischen Statistikamt Statbel lebten am 1. Januar 2023 in Ostbelgien insgesamt 32.403 Personen mit ausländischer Herkunft. Das entspricht 41 % der Gesamtbevölkerung. Hiervon haben 17.460 Personen nach wie vor eine ausländische Nationalität und 14.943 sind Personen mit belgischer Nationalität, deren erste registrierte Nationalität oder die eines Elternteils nicht-belgisch ist.

Von den Personen ausländischer Herkunft stammen 61% aus einem der Nachbarländer, 30% (rund 9.800 Personen) aus einem Nicht-EU27-Land und 9% (rund 3.000 Personen) aus einem EU-Land (außer den Nachbarländern). Die Personen mit Nicht-EU-Herkunft stellen somit 12% der DG-Bevölkerung, was deutlich weniger als im Landesdurchschnitt (18%) ist.

Arbeitsmarktbeteiligung nach Herkunft

Statbel hat im Juni 2023 eine umfassende Untersuchung durchgeführt, die Ergebnisse der Arbeitskräfteerhebung an die Daten zur Herkunft der Personen koppelt. Es zeigt sich, dass die Beschäftigungsrate aller Herkunftsgruppen in Belgien seit 2003 deutlich angestiegen ist. Bei den Personen ausländischer Herkunft (insbesondere bei den Personen mit Nicht-EU-Herkunft) liegt sie zum Teil aber immer noch deutlich unter der Beschäftigungsrate der Personen belgischer Herkunft.

Parallel dazu ist auch die Arbeitslosenrate in allen Gruppen von 2003 bis 2022 deutlich gesunken, bleibt aber bei den Personen ausländischer Herkunft höher als bei den Belgiern. Erfreulicherweise ist aber festzustellen, dass der Unterschied in der Arbeitslosenrate zwischen den Personen belgischer und ausländischer Herkunft in diesem Zeitraum deutlich geringer geworden ist.

Noch ungleicher ist die Situation bei den Inaktiven. Ist der hohe Anteil an Inaktiven in Belgien an sich schon problematisch, so ist unter den Nicht-EU-Bürgern der Anteil der Inaktiven noch mal besonders hoch. Eine Untersuchung der Uni Gent von Mai 2022 auf Grundlage von Eurostat-Daten (hier nach Nationalität, nicht nach Herkunft) zeigt, dass Belgien diesbezüglich der schlechteste Schüler in Europa ist: während 2021 EU-weit 29% der Nicht-EU-Bürger inaktiv sind, sind es in Belgien ganze 44%.
Besonders Frauen aus Nicht-EU-Ländern sind in Belgien häufig inaktiv: knapp 60% der 25-65-jährigen Frauen aus Nicht-EU-Ländern zählen zu den Inaktiven, auch das ist Rekord in Europa.

Zahlen zur Deutschsprachigen Gemeinschaft liegen zwar auch vor (für 2018), stammen aber aus administrativen Quellen. Da die absoluten Zahlen recht klein sind, muss man die Prozentsätze mit der nötigen Vorsicht betrachten. Dennoch erscheint klar, dass auch hierzulande die Arbeitsmarktsituation der Bürger mit Nicht-EU-Herkunft sehr unvorteilhaft ist, mit einer hohen Arbeitslosen- und einer niedrigen Beschäftigungsrate. Wie in den anderen Regionen ist im Übrigen auch hier festzustellen, dass die Aktivitäts- und Beschäftigungsrate der Personen aus den neuen EU-Ländern höher ist als diejenige aus den 15 EU-Kernländern.

Arbeitsuchende mit Migrationshintergrund in der DG

Betrachtet man zunächst die Zahl der Arbeitsuchenden nach Nationalität, so stellt man fest, dass heute in der Deutschsprachigen Gemeinschaft 22% der Arbeitslosen eine Nicht-EU-Nationalität haben und weitere 15% eine EU-Nationalität (überwiegend die deutsche). Während in den vergangenen 10 Jahren die Zahl der Belgier und der EU-Bürger unter den Arbeitslosen stark zurückgegangen ist, ist die Zahl der Nicht-EU-Bürger stark gestiegen. Einen nicht unerheblichen Anteil daran bilden seit 2022 auch die Ukraine-Flüchtlinge (rund 125 Personen im Schnitt 2023).

Bei der Eintragung von Arbeitslosen im Arbeitsamt werden neben der Nationalität aber auch das Herkunftsland und die Muttersprache erfasst. Eine Auswertung dieser Angaben erlaubt ebenfalls eine Annäherung an das Konzept des Migrationshintergrundes, welches aber noch nicht dem Konzept der Herkunft entspricht, das neuerdings von Statbel verwendet wird (basierend auf der Nationalität bei der Geburt und der Nationalität der Eltern).

In der nachfolgenden Analyse betrachten wir dementsprechend als Arbeitsuchende mit Migrationshintergrund:

  • Personen, die ein Nicht-EU-Herkunftsland angeben
  • Personen, die kein Herkunftsland angeben (das sind zumeist Belgier)
    • und deren Muttersprache nicht deutsch, französisch, niederländisch oder luxemburgisch ist, sowie
    • diejenigen, deren Staatsangehörigkeit keine der EU-27-Länder ist und
    • diejenigen, die einen Eintrag im Register "Arbeitsgenehmigungen" haben (d.h. es ist eine Arbeitserlaubnis vorhanden oder eine Freistellung hiervon, die Regularisierung wurde beantragt, …).

Nach dieser Definition waren im Dezember 2023 rund 1.015 Arbeitslose Personen mit Migrationshintergrund. Damit weisen aktuell 45% der Vollarbeitslosen einen Nicht-EU-Migrationshintergrund auf, also deutlich mehr, als aufgrund der Nationalität zu vermuten wäre. Ohne die ukrainischen Flüchtlinge kommt man auf einen Anteil von 38%.
Das ist auch deutlich mehr als im Jahr 2012, als eine erste Untersuchung dieser Art einen Prozentanteil von 23% ergab.

Betrachtet man das Profil dieser Personengruppe, so fallen folgende Merkmale auf:

  • Die am stärksten vertretenen Herkunftsländer sind im osteuropäischen und vorderasiatischen Raum zu finden (Ukraine, Russland, Türkei, Syrien, Bosnien und Herzegowina, Palästina/Israel, Irak, Kosovo, …).
  • Knapp die Hälfte der Personen verfügt mittlerweile über eine EU-Staatsangehörigkeit. Knapp 12% sind anerkannte Flüchtlinge.
  • Während vor zehn Jahren die Männer mit 57% noch in der Mehrheit waren, ist das Geschlechterverhältnis mittlerweile ausgeglichen.
  • Im Vergleich zu 2012 ist der Anteil der jüngeren Arbeitslosen mittlerweile rückläufig, der Anteil der 50plusser steigt. Dennoch sind die Arbeitsuchenden mit Migrationshintergrund im Schnitt noch deutlich jünger als die übrigen Arbeitsuchenden.
  • Hinsichtlich der Dauer der Arbeitslosigkeit unterscheiden sich die Personen mit Migrationshintergrund kaum noch vom allgemeinen Durchschnitt. Vor zehn Jahren waren die Personen mit Migrationshintergrund im Schnitt noch deutlich kürzere Zeit arbeitslos.
  • Das Qualifizierungsniveau ist nur schwierig einzuordnen. Zwar verfügen relativ viele (21%) formal gesehen über einen Hochschulabschluss, aber das bedeutet nicht, dass dieser Abschluss hier auch anerkannt oder gleichgestellt ist. Auf der anderen Seite sind fast 50% als Niedrigqualifizierte einzustufen.
  • Die Arbeitsuchenden mit Migrationshintergrund haben deutlich seltener Zugang zum Arbeitslosengeld (36% im Vergleich zu 56% aller Arbeitslosen), wohingegen 29% von einem ÖSHZ unterstützt werden (zuzüglich der ukrainischen Flüchtlinge), im Vergleich zu 18% im Schnitt aller Arbeitsuchenden.
  • Mehr als die Hälfte (53%) der betroffenen Personen wohnt in der Gemeinde Eupen. Nur 20% wohnen in einer der Eifel-Gemeinden.
  • Ein großes Integrationshemmnis bilden die fehlenden Sprachkenntnisse: fast 60% der im Dezember eingetragenen Personen verfügen höchstens über Grundkenntnisse der deutschen Sprache. Fast 70% verfügen höchstens über Grundkenntnisse der französischen Sprache. Zusammengenommen sind 42% weder der deutschen noch der französischen Sprache mächtig.

Abgänger des Integrationsparcours

Um die Integration von Migranten zu fördern, wurde in der DG ab 2017 der Integrationsparcours eingeführt. Betrachten wir heute die Situation der rund 620 Absolventen, die sich anschließend in der DG arbeitsuchend gemeldet haben, dann zeigt sich, dass immerhin 39% dieser Personen zum Stichtag Mitte Oktober 2023 in Arbeit sind. 25% dieser Personen sind zu dem Zeitpunkt arbeitslos, 3% in Ausbildung und die verbleibenden 33% sind nicht mehr beim Arbeitsamt gemeldet (wegen Umzug, Krankheit, unbekannter Verbleib, …).

Dabei sind Männer häufiger in Arbeit als Frauen, obwohl sie durchschnittlich geringer qualifiziert sind. Allerdings verfügen die Männer (zum Zeitpunkt der Eintragung) im Schnitt über etwas bessere Deutschkenntnisse. Hochqualifizierte sind seltener in Arbeit als die niedriger Qualifizierten, obwohl sie oft auch Bereitschaft zeigen, in Hilfstätigkeiten zu arbeiten. Die Hochqualifizierten sind allerdings nicht häufiger arbeitslos, sondern ein größerer Teil von ihnen ist nicht mehr beim Arbeitsamt gemeldet.

Fazit

Die bessere Integration von Menschen mit Migrationshintergrund in den Arbeitsmarkt bleibt eine große Herausforderung für Belgien und die Deutschsprachige Gemeinschaft. Angesichts des herrschenden Fachkräftemangels und des Ziels, die Beschäftigungsquote in Belgien auf 80 % zu erhöhen, stellen arbeitsuchende und nicht erwerbstätige Menschen mit Migrationshintergrund ein großes Potenzial dar, das nicht ungenutzt bleiben darf. Es liegt in unser aller Interesse, alles daran zu setzen, diese Menschen in unsere Gesellschaft und Arbeitswelt zu integrieren.

Downloads

Q4-2023 Pressetext Personen mit Migrationshintergrund auf dem (ost)belgischen Arbeitsmarkt