Wichtige Anpassungen mit Auswirkung auf die Arbeitslosenstatistik (Zählweise, gesetzliche Änderungen, …)

Die Höhe der Arbeitslosenzahlen (laut administrativer Quelle) wird beeinflusst durch Änderungen der gesetzlichen Grundlagen und sonstige Regelanpassungen in der Registrierung von Arbeitslosigkeit.

Die zunehmende Regionalisierung der Beschäftigungskompetenzen führt außerdem dazu, dass regionale Unterschiede innerhalb Belgiens in der Erfassung von Arbeitslosen entstehen.

Nachfolgend eine Auflistung der wichtigsten Änderungen seit 2002.

a) Anpassungen auf föderaler Ebene

  • Ab Juli 2002 wurde die Altersgrenze für die Freistellung aus Altersgründen von der Arbeitsuche von 50 auf 58 Jahre angehoben (außer für über 50-Jährige, die seit mehr als zwei Jahren arbeitslos sind), was zu einem starken Anstieg der Anzahl Vollarbeitsloser über 50 Jahre geführt hat (und parallel dazu zu einem Rückgang der Anzahl der aus Altersgründen Freigestellten).  Ab Januar 2013 wurde die Altersgrenze auf 60 Jahre angehoben und seit Januar 2015 müssen im Prinzip alle Arbeitsuchenden bis 65 Jahre eingetragen und verfügbar bleiben, wobei für die 60-65-Jährigen die sogenannte „angepasste Verfügbarkeit“ gilt. Diese Änderungen haben zu einem weiteren Anstieg der Arbeitslosen über 60 Jahre geführt.
  • Ab Oktober 2004 ist die Möglichkeit für Personen, die einen gewissen Umfang an LBA-Stunden geleistet haben, sich von der Arbeitsuche freistellen zu lassen, weitestgehend abgeschafft worden (mit Ausnahme der Personen mit gesundheitlichen Einschränkungen). Diese Personen (in Ostbelgien rund 70 zum Zeitpunkt der Abschaffung) werden seitdem wieder als Vollarbeitslose geführt und müssen dem Arbeitsmarkt im Prinzip wieder zur Verfügung stehen.
  • Ab Januar 2012 wurde das System der Frühpension in das neue System der „Arbeitslosigkeit mit Betriebszuschlag“ reformiert, mit strikteren Zugangsbedingungen. Januar 2015 wurden diese Zugangsmöglichkeiten weiter eingegrenzt. Arbeitslose mit Betriebszuschlag müssen sich seitdem – bis auf eine Reihe von Ausnahmefällen - bei den regionalen Arbeitsverwaltungen als Arbeitsuchende eintragen und bis 65 Jahre angepasst verfügbar sein.
  • In Übereinkunft mit dem Landesamt für Arbeitsbeschaffung (LfA/ONEM) wurde ab Anfang 2006 die Kategorie der „entschädigten Arbeitslosen“ in Belgien ersetzt durch die Kategorie „Arbeitsuchende Anwärter auf Arbeitslosengeld“. Diese umfasst sowohl die vormalige Gruppe der vollentschädigten Arbeitslosen als auch die Arbeitsuchenden, die auf Basis einer vorherigen Teilzeitarbeit entschädigt werden (und vor 2006 zu den „sonstigen Arbeitslosen" gezählt wurden). Bei Vergleichen mit den Vorjahren muss diese Anpassung berücksichtigt werden.
  • Abschaffung der Stempelkontrolle ab Januar 2006
    Bis dahin war die monatliche Auswertung der Stempellisten das wichtigste Instrument, um die Verfügbarkeit der Arbeitsuchenden zu kontrollieren. Wer an zwei aufeinanderfolgenden Stempeltagen fehlte, wurde gestrichen. Die Stempelkontrolle wurde 2006 durch den elektronische Datenaustausch mit verschiedenen Einrichtungen der Sozialsicherheit ersetzt:
    • Dimona (LSS): Information über Antritt oder Beendigung einer Arbeitsstelle
    • Inami: Information über die von den Krankenkassen entschädigten Krankheitsperioden
    • Inasti: Information über Antritt oder Ende einer selbständigen Tätigkeit
    • LfA: Information über die Auszahlung von Arbeitslosengeld

Beim Arbeitsamt werden zusätzlich Informationen des Nationalregisters in Bezug auf Wohnsitz­wechsel verarbeitet, da diese Problematik in einem Grenzraum nicht zu vernachlässigen ist. Auch muss berücksichtigt werden, dass z.B. für Personen, die im Ausland eine Arbeit finden, kein „positiver“ Datenstrom stattfindet (keine automatische Meldung einer Arbeitsaufnahme), sondern nur vom Fehlen einer Information (keine Auszahlung mehr von Arbeitslosengeld) auf eine Arbeitsaufnahme geschlossen werden kann.

  • Im Oktober 2013 wurden die ÖSHZ per Rundschreiben aufgefordert, alle Empfänger von Eingliederungseinkommen (nicht nur die unter 25jährigen) bei den regionalen Arbeitsverwaltungen einzutragen. Die Umsetzung dieses Rundschreibens kann aber regional unterschiedlich ausfallen, da die ÖSHZ nach wie vor die Möglichkeit haben, Personen aus Billigkeitsgründen nicht einzutragen. In der Regel ist diese Eintragung auf 3 Monate begrenzt und muss von der Person dann erneuert werden. In der Deutschsprachigen Gemeinschaft wurde ab 2002 schon eine unbefristete Eintragung praktiziert (s.u.). Das Forem ist 2018 zu einer unbefristeten Eintragung der ÖSHZ-Empfänger übergegangen.
  • Ab September 2015 wird der Zugang für jugendliche Schulabgänger zum Berufseingliederungsgeld eingeschränkt (er wird gekoppelt an Diplom- und Altersbedingungen) und der Bezug wird auf 3 Jahre begrenzt. Dies führt zu einem Rückgang der Anzahl entschädigten Arbeitslosen. Teilweise führt dies aber auch zu einem Anstieg der Personen, die über ein ÖSHZ eingetragen werden.

b) Anpassungen auf regionaler Ebene

  • Ab 2002 wird in der DG ein deutlicher Anstieg der Eintragungen von Empfängern des Eingliederungseinkommens verzeichnet. Dies ist auf ein Kooperationsabkommen zwischen dem Arbeitsamt der Deutschsprachigen Gemeinschaft und den ÖSHZ der Deutschsprachigen Gemeinschaft zurückzuführen, in dem u.a. eine unbefristete Eintragung von ÖSHZ-Kunden beim Arbeitsamt vereinbart wurde, um Ausgrenzungs­bedrohten bessere Eingliederungschancen einzuräumen und das Erwerbspersonenpotenzial in Ostbelgien zu erhöhen. Ab 2002 war der Anteil der vom ÖSHZ eingetragenen Personen dadurch deutlich höher als in den anderen Landesteilen. 2018 ist auch das Forem zu einer unbefristeten Eintragung übergegangen. Gleiches gilt mittlerweile auch für den VDAB.
  • Im Laufe der Jahre wurden verschiedene Anpassungen bezüglich der Qualifikationsstruktur vorgenommen, die sowohl die Vergleichbarkeit im Laufe der Zeit wie auch zwischen den Regionen erschweren.
    • Anfang der 2000er Jahre war in Ostbelgien der Anteil an Personen, die über eine sonstige, d.h. meist im Ausland absolvierte Ausbildung verfügen, auf über 22% angestiegen, während er z.B. in Wallonien nicht über 5% stieg. In Flandern integrierte man die ausländischen Ausbildungen seit 2003 in die flämische Einteilung der Ausbildungsniveaus. Seit November 2006 werden auch in der DG die ausländischen Ausbildungen - wenn möglich - einem belgischen Niveau zugeordnet (insbesondere ausländische Primarschul-, Lehr-, Abitur- oder Hochschulabschlüsse), auch wenn diese nicht in Belgien anerkannt oder gleichgestellt sind.
    • Ab August 2013 werden Personen mit einem klar identifizierbaren Schulabschluss aus Deutschland (Hauptschul- oder Realschulabschluss) nicht mehr der Gruppe „unbekannt/sonstige“ zugeordnet, sondern den Niveaus „Sekundar Unterstufe“ oder „Sekundar Oberstufe“.
    • Im Februar 2022 erfolgte eine größere statistische Neuordnung. Zum einen wurde eine (überfällige) neue Studienkodierung eingeführt, die das aktuelle Unterrichtswesen besser abbildet und der Bologna-Reform Rechnung trägt. Zum anderen wurde ein weiterer Teil der verbleibenden sonstigen, meist ausländischen Ausbildungen einem belgischen Niveau zugeordnet und die Lehre wurde in der Rangordnung über das Niveau der mittleren Reife gehoben. Letzteres hatte zur Folge, dass Personen mit beiden Abschlüssen nun dem Niveau Lehre und damit dem mittleren Qualifikationsniveau (statt wie bisher dem Niveau Sekundar Unterstufe und damit den Niedrigqualifizierten) zugeordnet werden.
  • Ab Juli 2021 hat Flandern das Konzept der „Werkzoekenden zonder Werk“ (nicht-beschäftigte Arbeitsuchende) eingeführt. Der größte Unterschied zur klassischen Zählweise der Vollarbeitslosen besteht darin, dass in Flandern auch Arbeitsuchende in Ausbildung oder Integrationsprojekten als Arbeitslose gezählt werden, während sie in den anderen Regionen gemäß den bisherigen Konventionen nicht als Arbeitsuchende gelten (weil nicht unmittelbar verfügbar). Dies hat die „Arbeitsuchendenzahl“ in Flandern um etwa 26.000 Personen im Vergleich zur vorherigen Zählweise erhöht (ca. +15%).

    Außerdem unterscheidet der VDAB nicht mehr nach den klassischen Kategorien der Anwärter auf Arbeitslosengeld, Schulabgänger in Berufseingliederungszeit, sonstige verpflichtend eingetragene Arbeitslose und freiwillig eingetragene Arbeitslose. Stattdessen unterteilt der VDAB die Arbeitsuchenden nach „vermittelbaren Personen“, „Personen in Ausbildung“ und „langfristig nicht vermittelbaren Personen“.
  • Weitere Änderungen betreffen die Dauer der Eintragung. In der Wallonie hat man ab 2022 im Zuge der Umsetzung des neuen Begleitdekrets („Décret relatif à l'accompagnement orienté coaching et solutions des chercheurs d'emploi“ vom November 2021) eingeführt, dass alle Arbeitsuchenden zunächst einmal unbefristet eingetragen werden. Bis dahin mussten freie Arbeitsuchende (Personen ohne Leistungsbezug) ihre Eintragung alle 3 Monate aktiv erneuern. Diese Änderung hat bis zum Jahresende 2022 zu einem allmählichen Anstieg der Arbeitslosenzahlen in der Wallonie geführt (etwa +10%). In Flandern ist man ab April 2023 ebenfalls zu einer unbefristeten Eintragung der freien Arbeitsuchenden übergegangen und in der DG ist dies ab September 2023 ebenfalls geplant.